Pluralisierung: Der Fall der Medienkolosse

Mit dem Entstehen neuer Kommunikationsformen fällt auch der sakrosankte Medienbegriff des renommierten Schweizer Kommunikationswissenschaftlers Ulrich Saxer. Für etablierte Medienkonzerne beginnt derweil das große Zittern.

Das kommunikationstheoretische Mantra von „komplexen institutionalisierten Systemen um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen“ muss nun umgeschrieben werden. So weichen institutionalisierte Strukturen immer mehr flexiblen und jungen Medienkonzepten, deren Pluralität die Medienmonopole zum Wanken bringt.

Während traditionelle Kommunikationskanäle wie Radio, Fernsehen und Zeitung noch von einseitiger Kommunikation geprägt waren, die zudem an fixe Sende- oder Druckzeiten gebunden war, stellt die Entwicklung wechselseitiger Medienformen eine echte Informationsrevolution dar. Die fixe Rollenzuteilung von Sender und Empfänger weicht dabei einem reziproken Austausch, in dem jeder Chefredakteur, Verlagsleiter oder Videojournalist sein kann. Die neuen Medien sind dadurch vielfältiger, abwechslungsreicher, aktueller, günstiger und multimedialer. Wo etablierte Medien noch das Konzept eines passiven Rezipienten vor Augen hatten, bietet die Sozialisierung des Digitalen auch eine spezifischere Wahlmöglichkeit in Hinblick auf Themen oder sogar Werbung. Neue Formen von zielgruppenspezifischen Werbemöglichkeiten erreichen so ohne großen Streuverlust die gewünschten Käufer und Interessenten.

Doch während sich Medienkonzerne über spezifischere Vermarktungschancen freuen, verzweifeln sie an der neuen Vielfalt an Alternativmedien. Diese durchbrechen Preiskartelle ebenso wie tradierte Verhaltens- und Thematisierungsregeln einer Medienwelt, die aufgrund von Machkonzentration, Fusionierung und oligopoler Informationsquellen (etwa Presseagenturen) immer mehr als „Einheitsmedien“ wahrgenommen wurden.

Mit den rasant fallenden Verkaufs- und Sendezahlen erwachen die Medienkolosse vergangener Tage nun aus ihrem jahrelangen Wachkoma. Allerdings nicht, um selbstkritisch die eigene Position als eigentliche Kontrollinstanzen der Politik zu hinterfragen, sondern um Alternativmedien als Gefahr für den eigenen „Wahrheitsanspruch“ zu attackieren.

Wer dieses Spiel um die Meinungsführerschaft am Medienmarkt gewinnt, werden die nächsten Jahre zeigen. Als Trostpflaster dürfen sich die etablierten Massenmedien vorab schon einmal mit dem Rieplschen Gesetz bekanntmachen, das überholten Medienformen eine Existenz als Nischenprodukt sichert. Damit gesellen sich diverse Medienkonzerne und Rundfunkanstalten vielleicht schon bald zu Pergamentrollen, Schallplatten und Tontafeln.


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