(Inter-)Nationalismus: Wird Facebooks Konzept zum Eigentor?

In einem beachtenswerten Artikel der „Zeit“ schreibt der Journalist Adrian Lobe über die Entwicklung des sozialen Netzwerks Facebook und stellt sich dabei die Frage ob Zuckerbergs Vision von der digitalen Globalisierung nach hinten losgeht.

Anlass für den Artikel „Zuckerbergs Eine-Welt-Laden“ ist der spürbare politische Wandel, den der Autor mit Trumps ethnozentrischen Kurs mitsamt Strafzöllen und dem Aufstieg europäischer Parteien wie Front National oder AfD umreißt. Dem gegenüber stellt er einen offenen Brief Mark Zuckerbergs, dem Gründer von Facebook, in welchem er sein Konzept einer „globalen Gemeinschaft“ entwirft – eine Art Manifest für digitalen Internationalismus.

Nur, so die Kritik Lobes, würde Facebook dabei nicht die Rolle des antinationalistischen Heilsbringers zustehen, sondern im Gegenteil selbst erst als Abbild der allgemeinen politischen Entwicklung fungieren. Zwar sei die Struktur Facebooks international, in ihrer Verwendung jedoch zunehmend nationaler, regionaler, lokaler. Was als Netzwerk der Öffnung, Toleranz und des Globalismus entworfen wurde, verkehrt sich somit ins Abgrenzende, Ausschließende, Trennende. So organisieren sich auf Facebook zunehmend EU- und einwanderungskritische Gruppen. Lobe kommt schlussendlich zur Einsicht: „Der Tribalismus, das Cocooning, der Rückzug in die Gemeinschaft Gleichgesinnter, ist letztlich dieselbe Antwort auf die Globalisierung wie der Nationalismus.“

Doch diese Entwicklung ist nicht absurd oder widersprüchlich, sie ist die logische Folge eines technokratischen, internationalen und somit intransparenten Prozesses, der den Partizipierenden keine Möglichkeit mehr zur Bindung an reelle Bezüge bietet. Etwa Familie, Dorf, Region, Wertkonzepte, Natur, Gesetze… Vollständige Öffnung ist immer auch die Preisgabe des individuellen Schutzes in einer nahestehenden Gruppe, die gemeinsame Werte verkörpert. Nicht nur psychologisch, auch kommunikationswissenschaftlich ist diese Einsicht nicht neu.

Jeder studierte Journalist kennt die Nachrichtenwert-Theorie Walter Lippmans mitsamt seinem Faktor der Nähe als entscheidendes Element zur Schaffung von Interesse. Bildlich gesprochen ist der stürzende Sack Kartoffeln in Wels immer noch relevanter als der Sack Reis, der in China umfällt.

So ist Facebook kein Inhalt an sich, sondern nach wie vor vor allem Medium. Es vermittelt das, was darauf vermittelt wird und bietet keine eigentümliche ideologische Schlagseite. Und damit wird es zum Abbild einer Gesellschaft, in der Nähe, Abgrenzung und Schutz als Antworten auf vollständige Öffnung und die Auflösung bekannter Strukturen zunehmend attraktiver werden. Das wird weder Zuckerbergs Manifest, noch eine zunehmende Zensur alternativer und kritischer Facebook-Seiten ändern.


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