Das Establishment und seine gleichgeschaltete Meinung

Schon vor ein paar Jahren warnte der Schriftsteller Karl Weidinger in der Tageszeitung „Die Presse“ vor „Meinungsjakobinern“, die sich von Kritikern gestört fühlen könnten. Und weil dieses Establishment nicht bereit sei, eine sinnvolle Diskussion zu führen, würden die Medien angehalten eine Scheinwelt zu produzieren – alle, die nicht mitspielen, sollten den neuen „Gesinnungsterror“ zu spüren bekommen.

Weidinger schrieb 2012 in der „Presse“: „Eine selbst legitimierte Dressurelite gibt den Ton in der veröffentlichten Meinung vor. Und das wird immer weniger goutiert. Nur die vom eigenen Bazillus der Selbstherrlichkeit infizierten Medien glauben noch an die Inhalte. Obwohl in Zeitungsköpfen das ‚unabhängig‘ steht, wissen viele, dass jedes Medium sowohl von der Leserschaft wie auch von Inseraten abhängig ist. Nichts geschieht aus Selbstlosigkeit, alles ist Kalkül.“ In Österreich handelt es sich jährlich um etwa 200 Millionen Euro Inseratenvolumen für die privaten Massenmedien. In diesem Sinne berichten sie natürlich auch eher selten regierungskritisch, sondern schießen bevorzugt gegen die Opposition.

Weidinger stellte richtig fest, dass das Establishment zwar verschiedene Zeitungslabel zur Verfügung stellen würde und verschiedenfarbige Parteien anbieten würde, aber: „Alle Parteien vertreten – angefeuert durch die harmonisierende Macht der Medien – zu den brennenden Fragen der Gegenwart wie Euro-Rettung, Genderpolitik und Frauenquote, Klima- und Energiepolitik, Zuwanderung oder Multikulturalismus eine nahezu identische gleich(geschaltet)e Meinung. Die vorgeschalteten Non-Government-Organisationen (NGOs) bereiten das Feld auf. Ziviler Ungehorsam wird gerne als Zeichen von gesundem Demokratieverständnis gewertet – außer es handelt sich um Protest gegen Moscheebauten. Dann ist es vorbei mit dem Recht auf Bürgerbeteiligung oder Anrainer-Notwehr. Sogleich wird die Motivation ins rechte (extreme, radikale) Eck gestellt. Meinungsfreiheit endet dort, wo von der vorgegebenen Multikulturalismus-Doktrin abgewichen wird. Dann ist es schnell vorbei mit dem pluralistischen Demokratieverständnis. Abweichende Gesinnung wird zum Verbrechen.“

2012 war diese messerscharfe Analyse genauso treffend wie heute. In den letzten Jahren wirkte der Gesinnungsterror noch, die Ausgrenzung und die Diffamierung schüchterte viele Menschen noch ein. Das ist jetzt vorbei. Die Fassade des Establishments bröckelt und das so gerne belächelte Volk will keine Moralpredigten von jenen annehmen, die selbst abgehoben vom Elfenbeinturm aus herunter spucken. Der Ethik-Professor und Publizist Konrad Paul Liessmann: „Denn wenn solche Moralvorschläge von jenen kommen, die im Grunde nicht tangiert sind, die tatsächlich keine Sorge um den Arbeitsplatz haben, die von der Flüchtlingskrise nicht existenziell bedroht sind, die keine Abstiegsängste um ihre Kinder haben müssen, weil die ohnehin in Oxford oder Stanford studieren, dann wirkt das nicht sehr überzeugend.“


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